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Fall: Ausziehen bei Festnahme

Muss ich mich ausziehen, wenn ich festgenommen werde?

In diesem Fall geht es um eine Verwaltungsübertretung und die Verhältnismäßigkeit einer Durchsuchung (eig. Besichtigung) des nackten Körpers.
Einem Aktivisten wurde eine Vewaltungsübertretung vorgeworfen. Dieser empfand die Vorwürfe als falsch und war auch nicht bereit seine Identität preiszugeben. Daraufhin wurde der Betroffene festgenommen, um seine Identität feststellen zu können. Auf der Polizeistation musste er sich ausziehen, eine “360°-Drehung” vollziehen und sich “hinhockerln”, um seinen Körper besichtigen zu lassen. Nach mehrmaligen hin und her hat der Betroffene seine Identität hergegeben, um sich diesem unwürdigen Prozedere zu entziehen. Im Übrigen wurde die Verwaltungsübertretung fallengelassen.


Genau gegen diese Besichtigung des Körpers hat der Betroffene eine Maßnahmenbeschwerde geführt und gewonnen.


Das Landesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass es ja grundsätzlich erlaubt ist eine Person die festgenommen wurde zu durchsuchen. Auch eine Besichtigung des unbekleideten Körpers ist grundsätzlich möglich. Allerdings nur, soweit das zum Grund der Festnahme verhältnismäßig ist UND um einen der drei im Gesetz für die Durchsuchung vorgesehenen Zwecke zu erzielen:

      1. eine Selbstverletzung oder
      2. Verletzung der festnehmenden Beamt*innen oder
      3. Flucht zu verhindern.

Das Gericht hat ebenfalls festgestellt, dass der Beschwerdeführer sich während der gesamten Amtshandlung (Konfrontation mit einer Verwaltungsübertretung, Aufforderung zur Identitätsfeststellung, Festnahme, Aufforderung zur Entkleidung) zwar nicht kooperativ, aber keineswegs aggressiv oder unhöflich verhalten hat.

Damit in diesem Fall (Verwaltungsübertretung) eine “Besichtigung” des unbekleideten Körpers rechtmäßig gewesen wäre, hätte also entweder das Verhalten auf eine besondere Gefährlichkeit hindeuten müssen (z. B.: randalieren) oder es hätte zumindest irgendeinen Anhaltspunkt dafür geben müssen, dass der Betroffene einen sehr kleinen Gegenstand an seinem Körper versteckt, der nur gefunden werden kann, wenn er sich ganz auszieht und dieser Gegenstand einem der drei Zwecke dient (Verletzung von einem selber, von Beamt*innen oder Flucht).

Als wichtiger Zusatz wollen wir noch einmal ganz klar darauf hinweisen, dass Besichtigungen des nackten Körpers nur von einer gleichgeschlechtlichen Person durchgeführt werden müssen. (Außer Notfälle)

Weiter unten folgen noch die Rechtsgrundsätze zu diesem Fall.


Weiterführende Links:

Entgegengesetzt zu dieser Regelung (und u.A. entgegen einem Schutz missbräuchlicher Anwendung) ist zu unserem Entsetzen in Deutschland vor kurzem folgender Fall eingetreten
(über gesetzliche Bestimmungen Deutschlands können wir keine Auskunft geben):

Ende Gelände kritisiert Polizei wegen Verstößen gegen Grundrechte +++ „Polizeiproblem in Deutschland ist nicht mehr zu vertuschen“

 

Rechtliche Grundlage für eine Durchsuchung / Besichtung des nackten Körpers in Österreich:

Gemäß § 31 Sicherheitspolizeigesetz:

In diesen Richtlinien ist unter anderem auch vorzusehen, dass die Durchsuchung eines Menschen außer in Notfällen durch eine Person desselben Geschlechtes vorzunehmen ist. In der Richtlinien-Verordnung ist in Bezug auf den Umgang mit Betroffenen u.a. folgendes geregelt:

Nach § 5 Abs 3 heißt es:
(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben dafür zu sorgen, dass die Durchsuchung eines Menschen (Durchsuchung der Kleidung und Besichtigung des Körpers) nur von jemandem desselben Geschlechtes oder von einem Arzt vorgenommen wird; dies gilt nicht, soweit ein hiezu erforderlicher Aufschub der Durchsuchung deren Zweck gefährden würde. Hievon ist die Durchsuchung von Kleidungsstücken ausgenommen, die nach den Umständen ohne Verletzung des Anstandes und ohne Verletzung anderer schutzwürdiger Interessen des Betroffenen abgelegt werden können.

Außerdem:
§ 6 Abs 2 Z 2:

Eine Frau, die sich über ein Geschehen aus ihrem privaten Lebensbereich äußern soll, im Zuge dessen sie von einem Mann mißhandelt oder schwer genötigt worden ist, ist von einer Frau zu befragen oder zu vernehmen, es sei denn, dass sie dies nach entsprechender Information nicht wünscht oder dass dies aufgrund besonderer Umstände die Aufgabenerfüllung gefährden würde. Sie ist vor der Befragung oder Vernehmung darauf hinzuweisen, dass auf ihren Wunsch der Befragung oder Vernehmung eine Person ihres Vertrauens beigezogen werde, es sei denn, dass dies aufgrund besonderer Umstände die Aufgabenerfüllung gefährden würde.


Weitere Rechtliche Grundlagen:

Sicherheitspolizeiliche Aufgabenerfüllung
§ 28a.
(1) Wenn bestimmte Tatsachen die Annahme einer Gefahrensituation rechtfertigen, obliegt den Sicherheitsbehörden, soweit ihnen die Abwehr solcher Gefahren aufgetragen ist, die Gefahrenerforschung.
(2) Die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dürfen zur Erfüllung der ihnen in diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben alle rechtlich zulässigen Mittel einsetzen, die nicht in die Rechte eines Menschen eingreifen.
(3) In die Rechte eines Menschen dürfen sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben nur dann eingreifen, wenn eine solche Befugnis in diesem Bundesgesetz vorgesehen ist und wenn entweder andere Mittel zur Erfüllung dieser Aufgaben nicht ausreichen oder wenn der Einsatz anderer Mittel außer Verhältnis zum sonst gebotenen Eingriff steht.
Verhältnismäßigkeit

§ 29.
(1) Erweist sich ein Eingriff in Rechte von Menschen als erforderlich (§ 28a Abs. 3), so darf er dennoch nur geschehen, soweit er die Verhältnismäßigkeit zum Anlass und zum angestrebten Erfolg wahrt.
(2) Insbesondere haben die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes

      1. von mehreren zielführenden Befugnissen jene auszuwählen, die voraussichtlich die Betroffenen am wenigsten beeinträchtigt;
      2. darauf Bedacht zu nehmen, ob sich die Maßnahme gegen einen Unbeteiligten oder gegen denjenigen richtet, von dem die Gefahr ausgeht oder dem sie zuzurechnen ist;
      3. darauf Bedacht zu nehmen, dass der angestrebte Erfolg in einem vertretbaren Verhältnis zu den voraussichtlich bewirkten Schäden und Gefährdungen steht;
      4. auch während der Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt auf die Schonung der Rechte und schutzwürdigen Interessen der Betroffenen Bedacht zu nehmen;
      5. die Ausübung der Befehls- und Zwangsgewalt zu beenden, sobald der angestrebte Erfolg erreicht wurde oder sich zeigt, daß er auf diesem Wege nicht erreicht werden kann.

Durchsuchung von Menschen
§ 40.
(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Menschen, die festgenommen worden sind, zu durchsuchen, um sicherzustellen, dass diese während ihrer Anhaltung weder ihre eigene körperliche Sicherheit noch die anderer gefährden und nicht flüchten.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind außerdem ermächtigt, Menschen zu durchsuchen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, diese stünden mit einem gegen Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum gerichteten gefährlichen Angriff in Zusammenhang und hätten einen Gegenstand bei sich, von dem Gefahr ausgeht.
(3) Die den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in den Abs. 1 und 2 eingeräumten Befugnisse gelten auch für das Öffnen und das Durchsuchen von Behältnissen (zB Koffer oder Taschen), die der Betroffene bei sich hat.
(4) Bei Durchsuchungen gemäß Abs. 1 und 2 haben sich die Organe des öffentlichen
Sicherheitsdienstes auf eine Durchsuchung der Kleidung und eine Besichtigung des Körpers zu beschränken, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, der Betroffene habe einen Gegenstand in seinem Körper versteckt; in solchen Fällen ist mit der Durchsuchung ein Arzt zu betrauen.